Dienstag, 17. November 2015

Dzien dobry, Warszawa!


Polen stand bisher nicht unbedingt auf meiner To See Liste. Aber meine Freundin Romy, mit der ich letztes Jahr auch in Iran war, ist berufsbedingt jetzt hingezogen und so beschloss ich ihr und Warschau einen Besuch abzustatten.

Die Stadt an sich wurde im 2. Weltkrieg fast komplett zerstört und später zum großen Teil sozialistisch aufgebaut. So richtig schön kann man sie also nicht nennen. Schon beim ersten Schritt aus dem Bahnhof heraus blickt man auf den riesigen Kulturpalast – ein wuchtiges, überdimensioniertes Gebäude, welches die Russen den Polen zum Geschenk machten. Noch immer ist es das höchste Gebäude Polens und wirklich nicht zu übersehen.

Kulturpalast Warschau.

Bierhalle // Warschau






Hinkommen 
Warschau lässt sich super easy und super günstig ab Berlin mit dem Zug zu erreichen: 39 Euro für 5 Stunden Zugfahrt im Polen Spezial. Inklusive Tee und Kaffee! Man sollte nur wissen, wo man hinwill, denn die Durchsagen sind sehr spärlich und dann auch nur auf Polnisch. Sonst erreicht man die Stadt natürlich auch per Flugzeug, alle gängigen Billigflieger fliegen Warschau an. Ein Stadtbus fährt innerhalb von 25 Minuten bis in die Stadt. Kostenpunkt umgerechnet etwas mehr als 2 Euro. 
Geschichte
Ein kurzer Abriss zur Geschichte der Stadt: Warschau wurde im 2. Weltkrieg als einer der ersten Kriegshandlungen von den Deutschen bombardiert und eingenommen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich das traurig-berühmte Warschauer Ghetto, in welchem tausende Juden unter menschenunwürdigen Zuständen eingepfercht waren. In der ganzen Stadt gibt es heute entlang der Grenze des Ghettos immer wieder Hinweise und Gedenkschilder und am alten Umschlagplatz, an dem die Juden abtransportiert wurden, gibt es ein Denkmal.

Der polnische Untergrund war auch während des Krieges sehr aktiv und im August 1944 wurde dann versucht, die Stadt wieder in polnische Hände zu bringen. Der Aufstand war zunächst erfolgreich und die Euphorie groß. Die Deutschen jedoch schlugen ihn nach 2 Monaten äußerst blutig nieder und vernichteten aus Rache die komplette Altstadt – über 90% der Häuser wurden zerstört und unbewohnbar gemacht. Die Einwohnerzahl sank im Verlaufe des Krieges von über einer Million Einwohner auf 0. Nach dem Krieg wurde Warschau jedoch in einem immensen Tempo wieder aufgebaut und die Stadt kam schnell wieder auf die nun 2 Millionen Einwohner.

Altstadt und Neustadt– stare miesto/ nove miesto
Ein Touristen-Highlight ist die stare miesto – die Altstadt. In den 50er Jahren wurde sie fast originalgetreu im Schnelltempo und mit einer unvergleichlichen Restaurierungsleistung wieder aufgebaut, wie Canaletto sie im 18. Jahrhundert malte. Heute erlauben sich noch viele Stadtführer einen Scherz und fragen, wie alt die Stadt wohl sein mag und viele Touristen, die sich nicht damit beschäftigen fallen drauf hinein. Zeitlich ist man an einem Vormittag easy durchgelaufen und hat alles gesehen.

Hinter der ‚Altstadt‘ schließt sich die Neustadt mit seiner Hauptstraße Ul. Freta an, in der es hübsche Lädchen und Restaurants gibt. Ein weiteres touristisches Muss ist die ehemalige Prachtstraße, die Nowy Swiat, in der sich sehr gut schlendern lässt.

Nowy Swiat // Warschau
Mercedes Benz // Nowy Swiat Warschau
Nowe miesto // Warschau
Stare miesto at night // Warschau
Von Essen und Hipstern
Polen steht für mich für deftiges Essen – Knödel, Piroggi und Co. Und genau das bekam ich in Warschau auch, und das auch noch verdammt günstig. Trotz der Lage in der Altstadt gab es in der Bar Warszawa de Luxe an der Ul. Miodowa verdammt leckere Piroggi. Für umgerechnet 15 Euro sind wir mehr als satt geworden (inklusive Getränken).

Warschau ist anscheinend auch ein bisschen Hipsterstadt – so berichtete mir das meine Freundin. Im Sommer gibt’s am Weichselufer coole Parties, im Stadtteil Praga beginnt so langsam die Gentrifizierung und auch sonst scheint man die Trends in der polnischen Hauptstadt gerne aufzugreifen. DER Hipsterplatz schlechthin ist der Plac Zbawiciela (man sollte nur nie versuchen es korrekt auszusprechen, doch dazu später mehr), der Platz der Erlöser. In den Cafés drum herum tummeln sich im Sommer die coolen Jugendlichen und im Eiscafé Sucré gibt es das wohl beste Eis (Lody) Warschau. Bis vor kurzem stand hier noch die berühmte Regenbogenskulptur, welche für ein offenes Polen stand. Leider wurde diese aufgrund vorgeschobener Sicherheitsprobleme abgebaut...man munkelt, die neugewählte nationalistische Regierung hatte hier keinen geringen Anteil dran.

Generell scheint Eis sehr beliebt zu sein – das gibt es an jeder Ecke. Ein weiteres Gericht ist wohl sehr in derzeit: Granola (oder auch altdeutsch Müsli) gibt es ebenfalls in allen möglichen Formen und Größen in den In-Cafés der Stadt.

Plac Zbawiciela // Warschau


Free Walking Tours - Praga
Mittlerweile in fast jeder Stadt weltweit angeboten werden ja Free Walking Tours. Konzept ist einfach: ein Local läuft durch die Stadt und erzählt der Gruppe die Geschichten zum jeweiligen Thema. Finanziert wird das Ganze durch Trinkgeld, was am Ende der Tour gegeben wird.

Mit der netten Martina schauten wir uns den Stadtteil Praga an. Dieser wurde im Krieg nicht zerstört und erhält daher noch die ursprüngliche Architektur Warschaus. In dern 90er Jahren als höchst kriminell eingestuft wandelt er sich so langsam zum Prenzlauer Berg von Warschau. Kreative, Künstler und Co finden hier ihr Zuhause, aber auch noch viele Ärmere, die in den unrenovierten Altbauten wohnen. Besonders sehenswert sind die Innenhöfe.

Orthodoxe Kirche Praga // Warschau
Streetart // Praga, Warschau
Parken verboten. // Warschau
Grün statt Grau
Vom Kulturpalast aus besehen wirkt die Stadt grau. Sehr grau. Doch eigentlich ist Warschau sehr, sehr grün! Die komplette Stadt wird immer wieder durch Parks durchbrochen. Im Weichselufer auf Praga Seite gibt es sogar noch freilebende Elche, die hier immer mal Jogger erschrecken. Einer der bekanntesten und schönsten Parks ist wohl der Lazienki-Park (‚Bäder-Park‘). In der milden November-Sonne erstrahlten die Blätter in den buntesten Farben und überall hüpften Eichhörnchen herum. Die Prachtbauten rund um die Teiche und angelegten Seen taten dazu noch ihr Übriges um sich im besten Licht zu präsentieren.

Lazienki Park sunet // Warschau
Kultur im Schnelldurchgang
Warschau hat gefühlt trilliarden Statuen zu jedem beliebigen Thema. Warschauer Aufstand, Aufstand der Juden, Kniefall von Willy Brandt, für jeden berühmten Einwohner, und und und. Ich bin mir sicher, mit all diesen hat sich schon mal jemand beschäftigt und niedergeschrieben. Mich interessierten sie jetzt bis auf ein paar Ausnahmen aber nicht so sehr. Schön ist die Chopin Statue im Lazienki Park, an der in den Sommermonaten jeden Sonntag Klavierkonzerte gegeben werden, denen man mit Picknickdecke bewaffnet, frei zuhören kann.

Museen gibt es natürlich auch, die bekanntesten sind wohl das polnische Nationalmuseum, das jüdische Museum und das Museum des Warschauer Aufstands. Dem Letzteren habe ich auch einen Besuch abgestattet. Es handelt um den eingangs schon erwähnten Warschauer Aufstand und ist wirklich gut gemacht. Allerdings sollte man von einem Besuch unter der Woche, während der Schulausflugszeiten Abstand nehmen. Außer man steht auf herumwuselnde Kinder, die einem ständig im Weg stehen. Nach dem Besuch war ich auch äußerst betroffen, was dieser Stadt angetan wurde. Das Museum der polnischen Juden konnte ich mir dann auch nur noch oberflächlich anschauen. Die Architektur ist von außen sehr schlicht und klotzig gehalten, man gelangt durch eine Art Spalt ins Innere. Dieser Spalt symbolisiert den Weg der Juden durch das Meer. Im Inneren hingegen ist gefühlt keine Wand gerade und in Wellen gestaltet.

Szopin Statue Lazienki Park // Warschau

…und sonst so?
-    Polnisch ist unfassbar kompliziert! Bei der Aussprache bricht man sich die Zunge und man spricht fast jeden verdammten Buchstaben nicht so aus, wie er dasteht. Außerdem werden auch Namen gebeugt, was zum Beispiel bei der akutellen H&M Kampagne mit David Beckham lustig wurde: auf dem Plakat stand dann nämlich das für uns recht weibliche klingende Davida Beckhama.
-    ÖPNV ist super günstig. 20 Minuten Straßenbahn fahren kosten 3,40 Zloty, umgerechnet 80 Cent. Das Netz ist sehr gut aufgebaut und ich konnte mich nach wenigen Malen fahren ohne Probleme orientieren.
-    Bei rot bleib steh'n - bei grün darfst du geh'n.. Rote Ampeln sind in Polen wirklich rote Ampeln – es bleiben echt alle stehen. Nix mit südeuropäischer Mentalität.
-    Wer mehr über die Stadt erfahren möchte, dem lege ich das Buch ‚Viva Warszawa – Polen für Fortgeschrittene‘ von Steffen Möller sehr ans Herz. Es ist sehr, sehr witzig geschrieben und gerade nach ein paar Tagen in Warschau findet man hier so einiges wieder und die Hintergründe hinzu.